BGH Urteil vom 14.03.2025 – V ZR 153/23, NJW 2025, 1486
Sachverhalt
(abgewandelt und gekürzt)
F möchte für sich und ihre Familie ein neues Heim bauen. Von einer Freundin erfährt sie, dass häufig Grundstücke unter Marktwert bei Zwangsversteigerungen versteigert werden. Am nächsten Versteigerungstermin begibt sie sich zum nächstgelegenen Amtsgericht und erhält dort bei einem Gebot von 200.000 € für das Grundstück „Seeblick“ den Zuschlag. Kurz darauf wird F als Eigentümerin ins Grundbuch eingetragen. Auf dem Grundstück befindet sich noch ein arg sanierungsbedürftiges, wirtschaftlich wertloses Ferienhaus. Da eine Sanierung des Ferienhauses für F nicht in Frage kommt, lässt sie dieses abreißen. Nach erfolgreichem Abriss plant die F, für sich und ihre Familie auf dem Grundstück ein Einfamilienhaus zu errichten. Die Baukosten sollen sich auf 250.000 € belaufen. Für die Finanzierung begibt sie sich zur ortsansässigen Bank B, um dort einen Kredit aufzunehmen. Die Bank gewährt ihr einen Kredit über die gesamten 250.000 € zu einem Zinssatz von 6 %. Dafür fordert sie jedoch die Eintragung einer Grundschuld für das Grundstück „Seeblick“ über 275.000 €, damit alle Kosten sicher gedeckt sind. Hätte F kein Grundstück zur Sicherung des Kredites anbieten können, hätte sie dennoch den Kredit erhalten, jedoch wäre der Zinssatz um einiges höher gewesen. Die Grundschuld wird ordnungsgemäß als Buchgrundschuld ins Grundbuch eingetragen. Knapp zwei Jahre nach der Zwangsversteigerung ist das Einfamilienhaus bezugsfertig und F und ihre Familie ziehen auf das Grundstück „Seeblick“. Aufgrund des Neubaus hat das Grundstück „Seeblick“ eine Wertsteigerung von 200.000 € erfahren.
Jedoch ist Fs Glück nur von kurzer Dauer. Wenige Monate nach Bezug des Grundstücks meldet sich der E, der ehemalige Eigentümer des Grundstücks „Seeblick“. E, ein erfolgreicher Geschäftsmann, sei aus beruflichen Gründen die letzten Jahre in Amerika gewesen und habe von der Zwangsversteigerung nichts mitbekommen. Dies ist auch korrekt, denn das Amtsgericht hatte den E tatsächlich entgegen seiner gesetzlichen Pflicht nicht vom Versteigerungstermin in Kenntnis gesetzt. E legt daher Beschwerde gegen den Zuschlagbeschluss des Amtsgerichts ein. Das Amtsgericht erkennt den Fehler an und hebt den Zuschlagbeschluss zugunsten der F auf. F ist über dieses alptraumhafte Geschehen so perplex, dass sie keinen anwaltlichen Rat einholt und nicht gegen den Aufhebungsbeschluss vorgeht.
Nachdem der Aufhebungsbeschluss rechtskräftig geworden ist, kommt es für F noch schlimmer: Eines Tages findet sie ein Schreiben des E in ihrem Briefkasten. Dieser verlangt von F und ihrer Familie die Räumung und Herausgabe des Grundstücks. Zudem solle F das errichtete Einfamilienhaus auf eigene Kosten abreißen, da dieses für E keinen Nutzen habe. Er wolle auf dem Grundstück „Seeblick“ ein luxuriöses Ferienhaus errichten, welches er dann an Geschäftspartner vermieten wolle. Da störe das Haus der F nur. Zuletzt verlangt er von F, dass sie die auf das Grundstück „Seeblick“ eingetragene Grundschuld löschen lassen solle.
Kann E von F die Herausgabe des Grundstücks fordern?
Kann E von F den Abriss des Wohnhauses verlangen?
Kann E von F die Löschung der Grundschuld verlangen?
Bearbeitungshinweis:
Die Wirksamkeit des Aufhebungsbeschlusses ist nicht zu überprüfen.
(1) Durch den Zuschlag wird der Ersteher Eigentümer des Grundstücks, sofern nicht im Beschwerdewege der Beschluß rechtskräftig aufgehoben wird.
(2) Mit dem Grundstück erwirbt er zugleich die Gegenstände, auf welche sich die Versteigerung erstreckt hat.
Skizze
Gutachten
A. Anspruch von E auf Herausgabe des Grundstücks aus § 985 BGB
E könnte gegen F einen Anspruch auf Herausgabe des Grundstücks aus § 985 BGB haben. Dafür müsste er zum Zeitpunkt der Anspruchstellung Eigentümer des Grundstücks „Seeblick“ und F Besitzerin des Grundstücks ohne Besitzrecht sein.
I. Eigentümerposition des E
E müsste Eigentümer des Grundstücks „Seeblick“ sein.
1. Ursprünglicher Eigentümer
Laut Sachverhalt war E ursprünglicher Eigentümer des Grundstücks „Seeblick“, bevor in dieses die Zwangsvollstreckung betrieben wurde.
2. Eigentumserwerb der F durch Zuschlag
F könnte jedoch auf der Versteigerung des Amtsgerichts durch Zuschlag Eigentum am Grundstück „Seeblick“ erlangt haben. Wird ein Grundstück im Rahmen der Zwangsversteigerung veräußert, so erwirbt der Ersteher gem. § 90 Abs. 1 ZVG mit Zuschlag Eigentum an dem Grundstück. Fraglich ist jedoch, wie sich der Aufhebungsbeschluss des Amtsgerichts auf den Zuschlag auswirkt.
Der Zuschlagbeschluss des Amtsgerichts wurde auf dem Beschwerdeweg aufgehoben. § 90 Abs. 1 ZVG stellt klar, dass in diesem Fall der Ersteher des Grundstücks kein Eigentum erwirbt. Aus der Formulierung ergibt sich hierbei, dass die Eigentümerstellung schon rückwirkend entfällt.[1]BGH NJW 2010, 2664. Damit hat die F nicht durch Zuschlag Eigentum am Grundstück „Seeblick“ erworben.
Anmerkung: Fokus im OriginalfallIm Originalurteil stellte dies einen wesentlichen Schwerpunkt der Prüfung dar. Der BGH führte hierzu aus, dass aufgrund der materiellen Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses dieser nicht inzident auf seine Richtigkeit überprüft werden dürfe. Vielmehr seien die Gerichte in diesem Verfahren an den rechtskräftigen Aufhebungsbeschluss gebunden. Da das Zwangsvollstreckungsverfahren in dieser Tiefe jedoch nicht Teil des Prüfungsstoffs für das Erste Staatsexamen darstellt, haben wir diesen Teil für Sie im Bearbeitungsvermerk vorgegeben. Für Kandidaten des Zweiten Staatsexamens empfehlen wir jedoch ausdrücklich die Lektüre dieses Teils des Urteils.
3. Zwischenergebnis
F hat nicht durch Zuschlag Eigentum am Grundstück „Seeblick“ erworben. E ist weiterhin Eigentümer des Grundstücks „Seeblick“.
II. Besitz durch F
F und ihre Familie wohnen zum Zeitpunkt der Anspruchstellung auf dem Grundstück „Seeblick“, sie üben somit unmittelbaren Besitz über das Grundstück aus.
III. Kein Recht zum Besitz
F dürfte kein Recht zum Besitz i.S.d. § 986 BGB gegen E zustehen. Da kein Miet- oder Pachtvertrag über das Grundstück „Seeblick“ zwischen E und F vorliegt, kann ein solches Besitzrecht nicht aus einer schuldrechtlichen Vereinbarung hergeleitet werden.
Jedoch könnte F gegebenenfalls ein Recht zum Besitz aus §§ 1000, 273 BGB zustehen, wenn ihr einen Anspruch auf Aufwendungsersatz (§§ 994, 996 BGB) gegen E zustünde. Hierfür müsste es sich bei den Zurückbehaltungsrechten der §§ 1000, 273 BGB jedoch zunächst um Besitzrechte i.S.d. § 986 BGB handeln.
Der BGH hat die Zurückbehaltungsrechte in der Vergangenheit als Recht zum Besitz i.S.d. § 986 BGB angesehen.[2]BGH NJW-RR 1986, 282 anstelle vieler. Dies wird von der Literatur jedoch seit jeher kritisiert, da es sich bei den Zurückbehaltungsrechten um Einreden, nicht um Einwendungen handelt[3]MüKoBGB/Baldus, BGB § 986 Rn. 53; BeckOGK/Spohnheimer, § 986 BGB, Rn. 41 statt vieler.: Natur der Zurückbehaltungsrechte ist, dass sie zu einer Leistung Zug-um-Zug führen. Liegt jedoch ein Recht zum Besitz i.S.d. § 986 BGB vor, führt dies zu einer vollständigen Abweisung des Anspruchs aus § 985 BGB. Diese dogmatische Fehleinstufung hat auch der BGH in seiner neueren Rechtsprechung erkannt. Jedoch rückt er nicht von seiner Einordnung der Zurückbehaltungsrechte als Recht zum Besitz ab, jedoch behandelt er diese als „besonderes Recht zum Besitz“, welches nicht zur Klageabweisung führt, sondern wie eine Einrede behandelt werden.[4] BGH NJW 1995, 2627; BGH NJW 2004, 3484; BGH NJW 2016, 3235. Diese dogmatische Überdehnung erscheint wenig überzeugend, sodass die Zurückbehaltungsrechte weiterhin als anspruchshemmende Einreden anzusehen sind.
Somit kann F kein Recht zum Besitz aus ihren etwaigen Verwendungsersatzansprüchen herleiten.
Anmerkung: Standardproblem des SachenrechtsBei der Einordnung eines Zurückbehaltungsrechts als Recht zum Besitz oder als Einrede handelt es sich um einen Klassiker des Sachenrechts. Der BGH ging in der vorliegenden Entscheidung nicht weiter darauf ein, wie genau er das Zurückbehaltungsrecht einordnet. Aus dogmatischer Sicht ist jedoch die Klassifizierung als Einrede überzeugender.
IV. Zurückbehaltungsrecht aus §§ 1000, 273 BGB
F könnte ein Zurückbehaltungsrecht nach §§ 1000, 273 BGB zustehen, welches sie als Einrede gegen den Herausgabeanspruch des E geltend machen könnte. Das Zurückbehaltungsrechte könnte sich auf einen Verwendungsersatzanspruch (§ 994 BGB oder § 996 BGB) der F stützen, welchen sie aufgrund des Hausbaus auf dem Grundstück „Seeblick“ haben könnte.
1. Verwendungsersatzanspruch aus § 994 BGB
Ein Verwendungsersatzanspruch aus § 994 BGB scheidet aus, da es sich bei dem Hausbau nicht um „notwendige“ Aufwendungen gehandelt hat. Als notwendig ist eine Aufwendung anzusehen, wenn sie bei Betrachtung ex ante zur Erhaltung oder ordnungsgemäßen Bewirtschaftung der Sache objektiv erforderlich war.[5]BGHZ 64, 333, 339. Der Hausbau der F erfüllt diese Voraussetzungen nicht, da er zwar das Grundstück für sie und ihre Familie so bewohnbar gemacht hat, jedoch er jedoch für den Erhalt oder die ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Grundstücks „Seeblick“ an sich objektiv nicht notwendig war.
2. Verwendungsersatzanspruch aus § 996 BGB
F könnte aufgrund des Baus des Einfamilienhauses jedoch ein Verwendungsersatzanspruch aus § 996 BGB i.H.v. 250.000 € zustehen.
a. Vindikationslage im Zeitpunkt der Verwendung
Da F niemals Eigentum am Grundstück „Seeblick“ erworben hat bestand die Vindikationslage auch schon in dem Zeitpunkt, als F das Haus errichten lies.
b. Besitzer gutgläubig und unverklagt
F war zum Zeitpunkt der Errichtung des Einfamilienhauses auch weder bösgläubig hinsichtlich ihrer Eigentümerstellung (§ 990 BGB), noch war ein Verfahren wegen der Herausgabe des Grundstücks „Seeblick“ gegen sie rechtshängig (§ 989 BGB).
c. Nicht notwendige Verwendungen
Bei der Errichtung des Hauses auf dem Grundstück „Seeblick“ müsste es sich um eine „andere als notwendige Verwendung“ i.S.d. § 996 BGB handeln. Diese Verwendungen werden allgemeinhin als „nützliche Verwendungen“ bezeichnet. Fraglich ist hierbei zunächst, ob es sich bei dem Bau des Einfamilienhauses auf dem Grundstück „Seeblick“ überhaupt um eine Verwendung handelt.
aa. Auslegung des Verwendungsbegriff
Die Auslegung des Verwendungsbegriffes ist umstritten.
Anmerkung: Auslegung des VerwendungsbegriffsHier kommen wir nun zum ersten Schwerpunkt des Falls. Der BGH hat bisher einen „engen Verwendungsbegriff“ verfolgt. Eine Verwendung lag nach dem BGH nur dann vor, wenn diese der Sache zugutekommt, „ohne diese grundlegend zu verändern“. Dieser enge Verwendungsbegriff wurde von der Literatur seit jeher kritisiert. In seinem vorliegenden Urteil hatte der BGH erstmals seit 20 Jahren wieder die Möglichkeit zu diesem engen Verwendungsbegriff Stellung zu nehmen: Und änderte prompt seine Rechtsprechung. Und dies begründete er wie folgt:
Eine Verwendung ist nach bisheriger Rechtsprechung jede Vermögensaufwendung, welche der Sache zugutekommt, ohne sie grundlegend zu verändern. Die Maßnahmen müssten darauf abzielen, den Bestand der Sache als solcher zu erhalten oder wiederherzustellen oder deren Zustand zu verbessern.[6]BGH NJW 2025, 1486 Rn. 16. Dies könnte hier als fraglich angesehen werden. Durch den Abriss der bestehenden Ferienwohnung und den Neubau eines Einfamilienhauses wurde der Charakter des Grundstücks „Seeblick“, welcher als wesentlichen Bestandteil gem. § 94 BGB auch darauf errichtete Gebäude erfasst, verändert. Denn das Grundstück sollte nicht mehr nur der zeitweisen Beherbergung von Feriengästen, sondern als Lebensmittelpunkt der Familie der F dienen. Daher hat die bisherige Rechtsprechung bei Neubauten von Gebäuden grundsätzlich eine grundlegende Veränderung des Grundstücks angenommen.[7]BGHZ 10, 171, 177 f.; BGH NJW 2002, 3478. Unter dem engen Verwendungsbegriff wäre der Neubau des Einfamilienhauses durch F daher keine Verwendung.
Die Literatur hingegen vertritt den „weiten Verwendungsbegriff“. Danach ist eine Verwendung jede Vermögensaufwendung, welche der Sache zugutekommt, gleich, ob sie die Sache grundlegend verändert.[8]MüKoBGB/Raff, BGB § 994 Rn. 10; Staudinger/Thole, Vor § 994 Rn. 31; Jauernig/Berger, BGB, Vor § 994 Rn. 8. Eine Wertsteigerung des Grundstücks „Seeblick“ ist hier anzunehmen. Denn durch den Abriss des sanierungsbedürftigen, wirtschaftlich wertlosen Ferienhauses und den Neubau des Einfamilienhauses für 250.000 € hat sich der Verkehrswert des gesamten Grundstücks erhöht. Nach dieser Ansicht läge also eine Verwendung vor.
Da die Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen ist eine Stellungnahme vonnöten.
Aus dem Wortlaut lässt sich keine Tendenz zu einer der Auslegungsweisen herleiten. Die Errichtung eines Gebäudes ist vom möglichen Wortsinn einer Verwendung erfasst. Dem Wortlaut des § 996 BGB, speziell dem Begriff der Verwendung, lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass Maßnahmen, die zu einer grundlegenden Veränderung der Sache (im Sinne einer Änderung der Zweckbestimmung) führen, nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen. Der Begriff „Verwendung“ wird im BGB auch nicht legaldefiniert.[9]BGH NJW 2025, 1486 Rn. 24.
Auch eine systematische Auslegung führt zu keinem Ergebnis, da auch andere Normen, welche den Begriff der Verwendung nutzen (etwa §§ 591, 601 Abs. 2, 1210 Abs. 2, 2381 BGB), keine Aussagen über grundlegende Verwendungen der Ursprungssache treffen.
Der historische Gesetzgeber spricht an mehreren Stellen über den „Bau auf fremden Boden“, wenn es um Verwendungen geht, sodass hieraus abgeleitet werden kann, dass der Bau eines Gebäudes durchaus als eine Verwendung angesehen werden kann.[10] Motive II S. 394: „Errichtung eines Gebäudes“; Protokolle III S. 353, 356: „Bau auf dem Grundstück“, „Bebauung der Grundstücke“, „Niederreißen von Gebäuden Dies würde für den weiten Verwendungsbegriff sprechen.
Auch die Auslegung nach dem Sinn und Zweck der §§ 994 ff. BGB spricht für einen weiten Verwendungsbegriff. Die §§ 994 ff. BGB dienen dem Ausgleich der Interessen zwischen Eigentümer und unverklagtem Besitzer. Der unverklagte, gutgläubige Besitzer ist hierbei besonders schutzwürdig, da er mangels entgegenstehender Anhaltspunkte von seiner Befugnis zur Nutzung der Sache als Eigentümer ausgehen durfte. Hinzu kommt, dass auch der Eigentümer bei einer weiten Auslegung des Verwendungsbegriffs nicht unwesentlich benachteiligt wird. Denn der Eigentümer erlangt für den Betrag, welchen er zu zahlen hat, eine Verbesserung seiner Sache. Im vorliegenden Fall erhielte E sein Grundstück mit einem neuen Haus zurück, während zuvor dort nur ein sanierungsbedürftiges, wirtschaftlich wertloses Ferienhaus stand. Der Wert des Grundstücks hat sich durch den Neubau um 200.000 € erhöht. Auch gibt der weite Verwendungsbegriff größere Rechtsicherheit. So ist nach dem engen Verwendungsbegriff stets im Einzelfall zu bestimmen, wann eine „grundlegende Veränderung“ der Sache vorliegt. Dies kann zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten und einer Zersplitterung in eine Einzelfallrechtsprechung führen, welcher entgegengewirkt werden sollte.[11]BGH NJW 2025, 1486 Rn. 27 ff.
Insgesamt überzeugen die Argumente für einen weiten Verwendungsbegriff, sodass dieser Ansicht zu folgen ist. Es handelt sich somit bei dem Hausbau durch F auf dem Grundstück „Seeblick“ um eine Verwendung.
bb. Nützlichkeit der Verwendung
Da F einen Anspruch aus § 996 BGB geltend machen will, muss es sich bei dem Neubau des Hauses um eine „nützliche“ Verwendung handeln. Eine nützliche Verwendung wird immer dann angenommen, wenn die Verwendung den Wert der (Ursprungs-)Sache erhöht.
Objektiv wurde durch den Neubau des Einfamilienhauses durch F der Verkehrswert des Grundstücks „Seeblick“ um 200.000 € erhöht.
E ist jedoch der Ansicht, dass das neue Gebäude für ihn wertlos sei, da er auf dem Grundstück eine Luxusferienwohnung bauen wollte.
Es ist daher zu klären, ob sich die Nützlichkeit einer Verwendung nach einem objektiven Ansatz oder durch den subjektiven Blick des Eigentümers beurteilt.
Anmerkung: Entscheidung für einen objektiven NützlichkeitsbegriffDa auch diese Frage bisher nicht höchstrichterlich geklärt wurde, konnte sich der BGH auch zu dieser Fragestellung nun erstmalig äußern. Auch hier schafft der BGH Klarheit. Die Nützlichkeit einer Verwendung bestimmt sich alleine nach objektiven Kriterien. Und dies ist die Begründung dazu:
Für ein objektives Verständnis spricht schon der Wortlaut des § 996 BGB. Denn in § 996 BGB a.E. spricht davon, dass Verwendungsersatz nur dann zu zahlen ist, wenn der „Wert der Sache“ noch zum Zeitpunkt des Verwendungsanspruchs erhöht ist. § 996 BGB stellt somit nur auf die Werterhöhung der Sache ab, eine subjektive Begrenzung hingegen findet keinen Anklang.
Auch in der systematischen Auslegung finden sich Anhaltspunkte für ein objektives Verständnis, denn auch die „Notwendigkeit“ einer Verwendung nach § 994 BGB beurteilt sich nach der ständigen Rechtsprechung des BGH nach objektiven Kriterien.[12]BGH NJW, 2002, 3478 mwN. Es wäre daher systemwidrig, die „Nützlichkeit“ nach subjektiven Kriterien zu beurteilen.
Auch die Motive erkennen schon an, dass der heutige § 996 BGB den Eigentümer auch zum Ersatz solcher werterhöhenden Verwendungen zwingen würde, die für diesen ohne Interesse sind.[13]Motive III S. 30; Protokolle III S. 351; BeckOGK/Spohnheimer, BGB § 996 Rn. 14.1.
Und auch der Telos spricht für eine objektive Betrachtung. Denn würde eine subjektive Betrachtung zugrunde gelegt werden, so könnte der Eigentümer „aus einer Laune heraus“ entscheiden, ob eine Verwendung für ihn nützlich ist oder nicht. Dies könnte so missbraucht werden, dass der Eigentümer in einem Prozess über Verwendungsersatzansprüche die Nützlichkeit aus seiner subjektiven Sicht verneint, sich dann in der Folge jedoch an der objektiven Vermögensverbesserung erfreuen kann, ohne einen Verwendungsersatz dafür zahlen zu müssen.[14]BGH NJW 2025, 1486 Rn. 37 ff.
Die Nützlichkeit der Verwendung ist somit nach objektiven Kriterien zu bestimmen. Da der Hausbau der F den Verkehrswert des Grundstücks „Seeblick“ um 200.000 € erhöht hat, liegt eine nützliche Verwendung vor.
Anmerkung: Begrenzung des VerwendungsersatzanspruchsDer BGH führt in seiner Entscheidung zudem noch aus, dass der Verwendungsersatzanspruch jedoch der Höhe nach zu begrenzen ist. Diese Grenze ist in Höhe der vom Besitzer aufgewendeten Kosten zu setzen. Dies erscheint auch sinnig: Wäre der Grundstückswert durch den Hausbau der F um 300.000 € gestiegen, die F hätte aber nur 250.000 € für den Hausbau investiert, so würde die F hier 50.000 € „Gewinn“ machen. Um den Eigentümer vor „aufgedrängten“ Bereicherungen zu schützen setzt der BGH daher auf eine Begrenzung des Verwendungsersatzanspruches. Dies ist auch nur gerecht, denn der Besitzer ist nur zu dem Betrag schützenswert, welchen er auch selbst investiert hat.
d. Ergebnis
Bei den von F getätigten Aufwendungen i.H.v. 250.000 € zur Errichtung des neuen Einfamilienhauses handelt es sich somit um nützliche Verwendungen i.S.d. § 996 BGB.
F steht gegen E ein Verwendungsersatzanspruch i.H.v. 250.000 € aus § 996 BGB zu.
3. Ergebnis
Diesen Verwendungsersatzanspruch kann F dem E im Rahmen eines Zurückbehaltungsrechtes nach §§ 1000, 273 BGB entgegenhalten. Der Anspruch des E auf Herausgabe ist daher bis zur Zahlung des Verwendungsersatzes i.H.v. 250.000 € gehemmt.
V. Ergebnis
E hat gegen F einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe des Grundstücks „Seeblick“, jedoch nur gegen Erstattung der Verwendungen für den Hausbau i.H.v. 250.000 €.
Anmerkung: Weitere AnsprücheWeitere Herausgabeansprüche prüft der BGH an dieser Stelle nicht. Dies ist jedoch auch nicht nötig, da jedem dieser Herausgabeansprüche das Zurückbehaltungsrecht aus §§ 1000, 273 BGB entgegengehalten werden könnte.
B. Anspruch des E auf Abriss des Wohnhauses aus §§ 989 ff. BGB
E könnte gegen F einen Anspruch auf Abriss des Wohnhauses aus §§ 989 ff. BGB haben. Der Schadensersatzanspruch könnte hier auf Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) gerichtet sein, sodass F zum Rückbau des Hauses verpflichtet wäre.
I. Vindikationslage
Wie o.g. lag im Zeitpunkt des Hausbaus eine Vindikationslage vor.
II. Weitere haftungsbegründende Voraussetzung der §§ 989 ff. BGB
Jedoch fehlt es an den weiteren haftungsbegründenden Voraussetzungen hinsichtlich der F. Die F war weder verklagt (§ 989 BGB), noch hatte sie Kenntnis von ihrer fehlenden Eigentümerstellung (§ 990 BGB). Zudem hat F den Besitz am Grundstück „Seeblick“ nicht durch eine Straftat oder durch verbotene Eigenmacht erlangt (§992 BGB). Somit liegt kein Haftungsgrund hinsichtlich der F vor.
III. Ergebnis
E hat keinen Anspruch auf Beseitigung des Wohnhauses gegen F aus §§ 989 ff. BGB.
C. Anspruch auf Beseitigung des Einfamilienhauses aus § 1004 Abs. 1 BGB
E könnte gegen F einen Anspruch auf Beseitigung des Einfamilienhauses aus § 1004 Abs. 1 BGB haben.
Das von F errichtete Einfamilienhaus beeinträchtigt das Eigentum des E am Grundstück „Seeblick“. Diese Beeinträchtigung entfällt auch nicht schon dadurch, dass das Einfamilienhaus durch § 94 Abs. 1 S. 1 BGB selbst Teil des Grundstücks und somit ins Eigentum des E übergegangen ist.[15]BGH NJW 2005, 1366.
I. Anwendbarkeit des § 1004 Abs. 1 BGB neben den §§ 987 ff. BGB beim redlichen, unverklagten Besitzer
Jedoch stellt sich die Frage, ob auf den unverklagten, gutgläubigen Besitzer neben den §§ 987 ff. BGB noch weitere Ansprüche anwendbar sein sollen, wenn diese sich gegen gesetzlich geregelte (nützliche) Verwendungen richten.
Der BGH musste in diesem Urteil zudem über die sich aufdrängende Frage entscheiden, ob Verwendungen einerseits unter § 996 BGB gesetzlich gebilligt werden sollen, aber gleichzeitig dem Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB unterfallen können. Dies wäre in sich widersprüchlich, da das Gesetz auf der einen Seite denjenigen schützen will, der die Verwendungen tätigt, man ihm aber andererseits die (kostenpflichtige) Beseitigung eben jener geschützten Verwendung aufbürden würde.
1. Eine Ansicht
Einer Ansicht nach besteht ein Vorrang des Beseitigungsanspruchs. Der Eigentümer könne einen Verwendungsersatzanspruch aus §§ 994 ff. BGB dadurch abwehren, dass er von dem Besitzer gem. § 1004 Abs. 1 BGB – auf dessen Kosten – die Beseitigung der Verwendungen verlange. Zur Begründung wird auf den Schutz der Dispositionsbefugnis des Eigentümers verwiesen.[16]OLG Celle MDR 1954, 294; BeckOK BGB/Fritzsche, BGB § 994 Rn. 18, § 996 Rn. 11; Grüneberg/Herrler, BGB Vorb. v. § 987 Rn. 15.
2. Andere Ansicht
Die Gegenauffassung lehnt hinsichtlich des redlichen, unverklagten Besitzers eine Beseitigungspflicht aus § 1004 I 1 BGB ab. Dieser sei nach Wertung des § 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB besonders schutzwürdig, sodass es der gesetzlichen Wertung widerspräche, diesen „durch die Hintertür“ doch in die Haftung zu nehmen.
3. Stellungnahme
Da die Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen ist eine Stellungnahme vonnöten.
Für die erste Ansicht spricht, dass der Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB gerade nicht ausdrücklich vom Ausschluss des § 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB erfasst ist. Denn dieser spricht nur von Nutzungsherausgabe und Schadensersatzansprüchen.
Es lässt sich jedoch kaum bestreiten, dass der Beseitigungsanspruch, zumindest wirtschaftlich, einem Schadensersatzanspruch quasi gleich käme.[17]BGH NJW 2025, 1486 Rn. 50. Denn der F wird es hinlänglich egal sein, ob sie das Haus selbst kostenpflichtig abreißen lassen soll, oder ob der E das Haus abreißen lässt, um ihr die Kosten in der Folge in Rechnung zu stellen. Der besondere Schutz, welchen der § 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB dem redlichen, unverklagten Besitzer zugutekommen lassen will würde dadurch untergraben werden. Auch zeigt sich aus einer Parallele zu den §§ 989 ff. BGB, wie widersprüchlich diese Rechtsanwendung wäre: Der redliche, unverklagte Besitzer müsste zwar keinen Ersatz für den Abriss eines auf dem Grundstück befindlichen Gebäudes (hier: Ferienhaus) aus §§ 989 ff. BGB leisten, aber ein von ihm selbst errichtetes Gebäude später auf eigene Kosten abreißen lassen.[18]BGH NJW 2025, 1486 Rn. 50 Dieser Wertungswiderspruch lässt sich gesetzlich nicht begründen.
Daher ist der zweiten Ansicht zu folgen, dass der redliche, unverklagte Besitzer nicht auf Beseitigung aus § 1004 BGB in Anspruch genommen werden kann.
II. Ergebnis
Ein Anspruch des E aus § 1004 Abs. 1 BGB gegen F auf Beseitigung des Einfamilienhauses scheidet daher aus.
D. Anspruch auf Löschung der Grundschuld aus §§ 989 ff. BGB
Ein Anspruch des E auf Löschung der Grundschuld aus den §§ 989 ff. BGB scheidet hier schon aus, da im Zeitpunkt der Grundschuldbestellung die F noch redlich und unverklagt war und somit die Haftungsvoraussetzungen der §§ 989 ff. BGB nicht vorliegen.
E. Anspruch auf Löschung der Grundschuld aus § 1004 Abs. 1 BGB
Auch aus § 1004 Abs. 1 BGB kann der E keinen Anspruch auf Löschung der Grundschuld ableiten, da wie oben unter C. festgestellt ein Anspruch des § 1004 Abs. 1 BGB wegen der abschließenden Wertung der §§ 989 ff. BGB gegenüber einem redlichen, unverklagten Besitzer ausscheidet.[19]BGH NJW 2025, 1486 Rn. 58
F. Anspruch auf Löschung der Grundschuld aus § 816 Abs. 1 BGB
Ein möglicher Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB ist hier gesperrt, da der § 816 Abs. 1 BGB lex specialis darstellt.
E könnte gegen F einen Anspruch auf Löschung der Grundschuld aus § 816 Abs. 1 BGB haben. Da es sich bei § 816 Abs. 1 BGB nicht um einen Nutzungs- oder Schadensersatzanspruch, sondern um einen Erlösherausgabeanspruch handelt, ist dieser auch nicht aufgrund der Wertungen der §§ 987 ff. BGB gesperrt.[20]BGH NJW 1971, 612; BGH NJW 1953, 58.
I. Entgeltliche Verfügung
Die Bestellung der Grundschuld durch F für die B-Bank müsste eine entgeltliche Verfügung darstellen. Die Bestellung der Grundschuld für das Grundstück „Seeblick“ stellt eine Belastung des Grundstücks und somit eine Verfügung dar. Diese wurde auch kausal für die Gewährung des Baukredits zu den entsprechenden Konditionen durch die B-Bank gewährt, sodass auch das Merkmal der Entgeltlichkeit erfüllt ist. Eine entgeltliche Verfügung liegt somit vor.
II. Nichtberechtigung
Da F zum Zeitpunkt der Grundschuldbestellung nicht Eigentümerin des Grundstücks „Seeblick“ war und auch nicht von E ermächtigt wurde die Grundschuld zu bestellen handelte F als Nichtberechtigte.
III. Wirksamkeit der Verfügung gegenüber dem Berechtigten
Die Verfügung müsste gegenüber E als eigentlichem Eigentümer wirksam sein. Hier könnte die B-Bank die Grundschuld am Grundstück „Seeblick“ gem. §§ 1191 Abs. 1, 1192 Abs. 1 i.V.m. 1113 Abs. 1, 1115, 1116 Abs. 2, 892 BGB gutgläubig erworben haben.
F und die B Bank haben sich über die Bestellung einer Grundschuld am Grundstück „Seeblick“ in Höhe von 275.000 € geeinigt (§§ 1191 Abs. 1, 1192 Abs. 1, 1113 Abs. 1 BGB).
Die Grundschuld wurde ordnungsgemäß im Grundbuch eingetragen (§ 1115 BGB), hierbei wurde die Brieferteilung ausgeschlossen (§ 1116 Abs. 2 BGB).
Da F weder selbst Eigentümerin noch vom Eigentümer E ermächtigt wurde über das Grundstück „Seeblick“ zu verfügen, kommt nur ein gutgläubiger Erwerb der Grundschuld durch die B-Bank nach § 892 BGB in Betracht. F war zum Zeitpunkt der Grundschuldbestellung als Eigentümerin des Grundstücks „Seeblick“ in das Grundbuch eingetragen. Diese Eintragung bestand auch bis zur Eintragung der Grundschuld fort. Für die B-Bank gab es auch keinerlei Anhaltspunkte, dass F nicht rechtmäßige Eigentümerin des Grundstücks sein könnte, sodass die B-Bank gutgläubig war. Die B-Bank konnte somit die Grundschuld über 275.000 € am Grundstück „Seeblick“ gutgläubig von F erwerben.
Aufgrund dieses gutgläubigen Erwerbs ist die Grundschuldbestellung auch gegenüber dem eigentlichen Eigentümer E wirksam.
IV. Rechtsfolge: Herausgabe des Erlangten
Nach Wertung des § 816 Abs. 1 BGB hat der Verfügende dem rechtmäßigen Eigentümer dasjenige herauszugeben, was er durch die Verfügung erlangt hat. Dies müsste die Grundschuld in Höhe von 275.000 € am Grundstück „Seeblick“ umfassen, damit E die Löschung von F verlangen könnte.
Jedoch hat nicht F, sondern die B-Bank die Grundschuld erlangt. Durch die Bestellung der Grundschuld hat F selbst nur die Sicherung ihres Darlehens, nicht aber die Grundschuld selbst erlangt.[21]BGH NJW 2025, 1486 Rn. 57. Da das Darlehen auch nicht mehr im Vermögen der F vorhanden ist,[22]zu diesem Fall BGH NJW 2002, 1872. sondern schon vollständig in den Hausbau investiert wurde, kann auch dieses kausal erlangte nicht an E herausgegeben werden.
Somit ist die Grundschuldposition im Grundbuch gerade nicht als das von F erlangte anzusehen. Somit kann E nicht die Löschung der Grundschuld nach § 816 Abs. 1 BGB verlangen.
Anmerkung: Möglicher WertersatzanspruchZwar deutet der BGH in seinem Urteil auf einen möglichen Wertersatzanspruch nach § 816 Abs. 1 i.V.m. § 818 Abs. 2 BGB hin, jedoch kann eine Löschung der Grundschuld von F nicht verlangt werden. Da zu einem möglichen Wertersatzanspruch jedoch keine Feststellungen im vorinstanzlichen Urteil getroffen wurden, wurde die Sache zur weiteren Verhandlung an das zuständige OLG zurückverwiesen. Da die Frage, was genau bei einem solchen Wertersatzanspruch aufgrund Sicherheitsbestellung zu berücksichtigen ist, selbst hochumstritten ist, wird hierauf in der Zusatzfrage weiter eingegangen.
Zusatzfrage
Anspruch auf Wertersatz statt Löschung??Kann E von F Wertersatz für die eingetragene Grundschuld verlangen?
Wie oben geprüft hat F durch die wirksame Bestellung der Grundschuld nicht die Grundschuld selbst erlangt. Eine Herausgabe der Grundschuld, in Form der Löschung, ist F daher nicht möglich. F könnte jedoch über § 818 Abs. 2 BGB zum Wertersatz verpflichtet sein. Hierbei ist umstritten, für was genau die F Wertersatz leisten muss.
1. Eine Ansicht
Einer Ansicht nach stellt die Unmöglichkeit der Herausgabe des Grundstücks als unbelastetes Grundstück eine Teilunmöglichkeit dar. Daher sei der Bereicherungsschuldner außer zur Rückübereignung des noch belasteten Grundstücks ergänzend zum Wertersatz gemäß § 818 Abs. 2 BGB in Höhe des Nominalwerts des betreffenden Grundpfandrechts verpflichtet. Allerdings könne der Bereicherungsschuldner im Hinblick auf § 818 Abs. 3 BGB die Zahlung des Wertersatzes davon abhängig machen, dass der Bereicherungsgläubiger ihn Zug um Zug von jener Verbindlichkeit befreit, welche er mit Hilfe des rechtsgrundlos erlangten Gegenstandes besichert habe.[23]BGH NJW 1991, 917. Danach hätte F dem E Wertersatz in Höhe von 275.000 € zu leisten, jedoch nur gegen Übernahme des Kreditvertrages mit der B-Bank durch E.
2. Andere Ansicht
Nach einer anderen Ansicht beschränkt sich der erlangte Wert auf die Ersparnisse, welche die verfügende Person bei der Kreditvergabe aufgrund der Bereitstellung des Grundstücks als Sicherheit hatte.[24]OLG Brandenburg NJW 2023, 2646, m. Anm. Spohnheimer; Bodenbenner, Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung nach Belastung des rechtsgrundlos erlangten Gegenstandes mit einem Kreditsicherungsrecht, … Continue reading Auch hiernach hätte F Wertersatz zu leisten, jedoch nur in Höhe der Kosten, welche sie bei der Kreditaufnahme bei der B-Bank erspart hat, da sie das Grundstück „Seeblick“ als Sicherheit anbieten konnte.
3.Hinweis: Weitere Ansicht
Einer weiteren, hier nicht einschlägigen, Ansicht nach soll sich die Rückabwicklung nach den Regelungen der §§ 346 ff. BGB (analog) richten, wenn das Grundstück aufgrund eines nichtigen Vertrages erworben wurde.[25]MüKoBGB/Schwab, 9. Aufl. 2024, BGB § 818 Rn. 80, 287 ff. Da F das Grundstück jedoch nicht aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages, sondern aufgrund einer hoheitlichen Vollstreckungsmaßnahme erhielt, ist diese Ansicht hier nicht anzuwenden.
4. Stellungnahme
Da die Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich der Höhe des Wertersatzes kommen, ist eine Stellungnahme vonnöten.
Gegen die erste Ansicht spricht, dass diese inhärente Insolvenzrisiken birgt. Wenn der E die F zuerst von ihrer Verbindlichkeit gegenüber der B-Bank befreien müsste, läuft er Gefahr, dass F zwischenzeitlich in Vermögensverfall gerät und keinen Wertersatz über 275.000 € leisten könnte. Versucht man diesem Problem zu entgehen, indem man E zunächst einen einredefreien Anspruch auf Wertersatz zubilligt, ihn aber für verpflichtet hält, mit dem von F gezahlten Wertersatz deren Verbindlichkeit gegenüber der B-Bank zu tilgen, so mutet man umgekehrt der F eine ungesicherte Vorleistung zu. Insgesamt also leidet diese Ansicht unter der Schwierigkeit, dass Wertersatz und Schuldbefreiung sich einem zeitgleichen wechselseitigen Austausch entziehen.[26]MüKoBGB/Schwab, BGB § 818 Rn. 71.
Für die zweite Ansicht spricht zudem, dass das durch die Grundstücksbelastung Erlangte gerade nicht die Grundschuld selbst, sondern die günstigeren Kreditbedingungen sind. Hätte die F kein Grundstück zur Sicherung des Kredites anbieten können, hätte sie nach Sachverhalt den Kredit zwar trotzdem erhalten, jedoch zu ungünstigeren Konditionen. Diese Ersparnis ist daher als dasjenige anzusehen, was F durch die Grundschuldbestellung erlangt hat. Es ist daher nur billig, den Wertersatzanspruch hieran zu berechnen.
Auch belastet dies den E nicht unbillig. Sollte F die Kreditrückzahlung verweigern, so würde zwar zunächst in das Grundstück des E vollstreckt werden, jedoch würde die Forderung der B-Bank gegen F gemäß §§ 1192 Abs. 1, 1143 Abs. 1 S. 1 BGB auf E übergehen. E könnte dann aus abgetretenem Recht gegen F vorgehen und würde, neben dem Wertersatz für die besseren Kreditbedingungen, auch die restliche Forderung eintreiben können.
Es ist somit der letztgenannten Ansicht zu folgen, dass F unter § 818 Abs. 2 BGB nur zur Leistung von Wertersatz in Höhe der aufgrund der Grundschuldstellung erlangten besseren Kreditbedingungen verpflichtet ist.
Zusammenfassung
- Verwendungen sind alle Vermögensaufwendungen, die der Sache zugutekommen sollen, auch wenn sie die Sache grundlegend verändern; die Errichtung eines Gebäudes auf einem fremden Grundstück kann deshalb auch dann eine (nützliche) Verwendung im Sinne von § 996 BGB sein, wenn damit eine Änderung der Zweckbestimmung des Grundstücks verbunden ist (teilweise Aufgabe von Senat BGHZ 41, 157 (160 f.) = NJW 1964, 1125).
- Für die Nützlichkeit einer Verwendung im Sinne von § 996 BGB ist allein die objektive Verkehrswerterhöhung der Sache maßgeblich, nicht jedoch der subjektive Wert für den Eigentümer. Der Verwendungsersatzanspruch des Besitzers ist allerdings auf die tatsächlich aufgewendeten Kosten begrenzt.
- Ein Anspruch des Eigentümers aus § 1004 I BGB auf Beseitigung des Resultats der Verwendungen (hier: Wohnhaus) gegen den gutgläubigen und unverklagten Besitzer ist ausgeschlossen.